Mrz 9

Herausgeber Galerie Zweigstelle Berlin, Andreas Stucken mit Beiträge von Henrike Holsing, Hanneke Heinemann, U We Claus und einem Gespräch zwischen Wolfgang Hülsen und Elvira Lantenhammer

Hirmer Verlag, München, 2020, ISBN: 978-3-7774-3519-0, 122 Seiten, 122 Farbabbildungen, Hardcover gebunden, Format 30,5 x 24,5 cm, € 29,90 (D) / € 30,80 (A) / CHF 36,80

Die Farbfeldmalerei hat sich Mitte der 1950er-Jahre in Amerika aus dem Abstrakten Expressionismus he-raus entwickelt; sie zeichnet sich durch ihre Betonung der Malfläche ohne zentralen Fokus, die Einheit des Malgrundes, ihre Gegenstandslosigkeit und ihre Spiegelung der emotionalen Verfassung des Künstlers beim Malen aus. Heute hat sie das der Abstraktion in den Nachkriegsjahren im Kontext der Reeducation-Programme zugeschriebene Etikett einer Weltsprache der Kunst ebenso abgestreift wie die Vorstellung einer Ablösung der gegenständlichen Malerei und ist zu einer Spielart der Malerei unter anderen geworden. Das gibt ihr die Freiheit, sich auf die Farbe, die Fläche und den Malakt zu konzentrieren.

In den „Lageplänen“ der in den 1970er-Jahren als Restauratorin und in den 1980-er Jahren unter anderem bei Jürgen Reipka als Malerin ausgebildeten 1956 geborenen Elvira Lantenhammer spielt der Farbklang die entscheidende Rolle. „In ihrem mehr als dreißigjährigen Schaffen ist Lantenhammer ihrem ganz eigenen Weg der Farbfeldmalerei gefolgt, der insbesondere von ihrer Beschäftigung mit östlicher Philosophie und dem Zen-Buddhismus geprägt ist. Am vorläufigen Endpunkt dieser Entdeckungsreise in ein achtsames, sensitives Farbempfinden steht nicht zufällig ihre … Serie ›Japanese Sitplans‹. Der hier entwickelte Farbklang aus Weiß und aus rosa, gelben und grünen Leuchtfarben spiegelt das innere Leuchten …; der regelmäßig streichende Farbauftrag des Farbpinsels verrät etwas von der meditativen Haltung beim Malen“ (Henrike Holding S. 9; vergleiche dazu https://www.google.de/search?q=elvira+lantenhammer%2C+Japanes+Sitplans&tbm=isch&ved=2ahUKEwjzu83l6qDvAhUKRhoKHRjJD34Q2-cCegQIABAA&oq=elvira+lantenhammer%2C+Japanes+Sitplans&gs_lcp=CgNpbWcQDFCPsQJY1vsCYMGKA2gAcAB4AIABVYgB5Q

uSAQIyMpgBAKABAaoBC2d3cy13aXotaW1nwAEB&sclient=img&ei=8CpGYPODG4qMaZiSv_AH&bih=914&biw=1677). Schwarz findet sich in dieser Serie nicht mehr. 

Der Impuls, ihre abstrakten Kompositionen ›Lagepläne‹ zu nennen, kam Lantenhammer, als sie in den mittleren 1990er Jahren beim Blick auf ihre Werke freie Formationen und Anlagen von Orten und Plätzen entdeckte. „Dann interessierte es mich, wie ich mit Farben auf konkrete Orte reagiere und was daraus entsteht, welche Bilder dadurch hervorgebracht werden. Auf Spaziergängen, Wanderungen, Ausflügen … erkundete ich den Ort und die weitere Region mit dem Skizzenbuch. Die mitgebrachten Schattenformen inspirierten mich zu Malereien mit leuchtendem Gelb. Parallel zu den Erkundungen experimentierte ich mit Farben. Schließlich entwickelte sich der Farbklang, der für mich stimmt …

Für mich sind die Bilder auch Seelenlandschaften, in denen ich meine innere Stimmung und Empfindungen über die Örtlichkeit in Farben ausdrücke. Diese Empfindungen und Landschaftseindrücke, Gerüche, Geräusche, Ideen und so weiter werden durch entsprechende Farben in kräftigem Rosa, Gelb, Weiß, Grün oder Schwarz umgesetzt … Gelb zuerst. Grün könnte für die üppige Natur stehen, auch die alles überwuchernde, aus Japan eingeführte Kudzu-Pflanze … Das Rosa: die Liebe zum Kindlichen, ›the American Way of Live‹, aber auch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Donald Duck und Daisy, aber auch Facelifting und Marylin Monroe. Schwarz: die heftigen Brüche inmitten all der Heiterkeit, Abstürze, die abgrundtiefen Kontraste in der Gesellschaft … Mit ›Lageplänen‹ zeige ich, wie ich mich in anderen konfrontiere, mein Erleben in der Fremde sammle und nutzbar mache“ (Elvira Lantenhammer S. 69 ff., vergleiche dazu Elvira Lantenhammer, Virginia Siteplans, 2015: https://www.elviralantenhammer.de/malerei.php?lan=de).

In ihrem ›Apocalypse Triptych‹ von 2010, Pigment, Acrylics, Canvas, 140 x 600 cm dominiert noch das Schwarz. „Es verdrängt … ein …fast grelles Grün sowie ein leuchtendes Ultramarinblau“ und verdüstert die Leinwand fast völlig (vergleiche dazu https://www.elviralantenhammer.de/malerei.php?lan=de und Ausstellung Apokalypse, 2011, 41/55: https://www.elviralantenhammer.de/views.php?lan=de). „Erst auf den beiden letzten Bildern lichtet sich die Folge wieder und Grün und Blau kehren zurück; eine hellblaue Fläche erobert sich die Bildmitte vor dem Schwarzen Vorhang“ (Hanneke Weinmann S. 92. Vergleiche dazu Apokalypse; Installation Spitäle Würzburg 2017: 23/55 https://www.elviralantenhammer.de/views.php?lan=de). „Mitbestimmend an der starken Wirkung des Zyklus sind nicht nur Komposition und Farbwahl, sondern auch ein besonderes Augenmerk auf die Qualität der Farbmaterie. Um diese zu erreichen, mischt Elvira Lantenhammer die Farben selbst aus Acrylbindemitteln und Pigmenten. Durch diese handwerkliche Arbeit können leichte Unregelmäßigkeiten wie Pigmentablagerungen oder Farbschlieren im Material verbleiben, die sich später in der Materie als belebendes Moment bemerkbar machen“ (Hanneke Heinemann S. 93).

Obwohl Elvira Lantenhammer seit 1998 im Schloss Homburg am Main lebt, malt und dort auch als Kuratorin tätig ist (vergleiche dazu https://www.elviralantenhammer.de/biografie.php?lan=de), wurde ihr nach diversen anderen Preisen, Förderungen und Stipendien 2020 auch der Kulturpreis der Stadt Würzburg zugesprochen. Nach Franziska Schmitt von der Mainpost wird sie als „Würzburger Künstlerin“ wahrgenommen, obwohl sie auf Schloss Homburg in Triefenstein lebt (vergleiche dazu und zum Folgenden Franziska Schmitt, Kulturpreis für Elvira Lantenhammer in der Mainpost vom 6.8.2020: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/kulturpreis-fuer-elvira-lantenhammer-art-10481117). Mit dem Kulturpreis der Stadt Würzburg erhält Lantenhammer die höchste kulturelle Auszeichnung der Stadt, die im Wechsel mit dem Peter C. Ruppert Preis für Konkrete Kunst in Europa verleihen wird. Sie steht damit in einer Reihe mit Würzburger Kunst- und Kulturschaffenden wie dem Pianisten Michael Wollny, dem Komponisten Klaus Ospald, dem Literatur- und Geisteswissenschaftler Prof. Dr. Hans Ulrich Gumbrecht und dem Bildhauer Fritz Koenig. Die Preisverleihung findet Pandemie-bedingt erst am 25. März 2021 um 18,30 Uhr im Großen Saal der Musikhochschule Würzburg statt.

ham, 8. März 2021

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