Jan 24

Darren Almond: Nocturne

Von Helmut A. Müller | In Rezensionen

Publikation zur gleichnamigen Ausstellung in der Villa Merkel, Galerie der Stadt Ettlingen vom
29.05. – 21.08.2011
Hrsg. von Andreas Bauer mit Texten von Johannes Mainhardt, Andreas Baur und einem Gespräch
zwischen Tim Ingold, Johannes Mainhardt und Darren Almond
Villa Merkel, Esslingen / Snoeck Verlagsgesellschaft Köln, 2012, ISBN 978-3-940953-91-9, zwei
Broschüren, zwei Leporellos, ein Doppelblatt in Kassette, zusammen 138 S., zahlreiche
Farbabbildungen, Format der Kassette 31,8 x 31,8 cm, € 39,– (Museumsausgabe) / € 58,–
(Buchhandelsausgabe)

Darren Almonds in der Villa Merkel gezeigten Nachtstücke faszinieren durch ihre Konfrontation
mit dem dem westlichen Empfinden radikal entgegengesetzten Verständnis von Zeit und Ewigkeit.
Nach Johannes Mainhardt beziehen sich ein Großteil der unter dem Titel ‚Nocturne‘ gezeigten
Nachstücke offen oder verdeckt auf Werke der traditionellen chinesischen und japanischen Kunst.
In der Serie der großformatigen Vollmondfotografien verweisen Titel wie Fullmoon @ Huanshan
auf Höhepunkte der Tuschemalerei der Ch’an-Mönche, für die „die bizarren, steil aufragenden
Berge und Bergketten am Jangtse und besonders in den Bergen des Huang Shan (Yellow
Mountains) mit ihren sich an die Felsen klammernden Kiefern zum Motiv wurden“ (Johannes
Mainhardt).
Eher implizit ist dagegen der Bezug in der in der Villa Merkel in vier nebeneinanderliegenden
Räumen gezeigten 6-Kanal-Video-Arbeit ‚Sometimes Still‘ (2010, 25 Min.). Die Arbeit begleitet
Exerzitien eines Mönchsnovizen aus dem Enryaku-ji-Kloster, „dem 788 gegründeten Ursprungs
und Hauptkloster der buddhistischen Tendai-Schule, das an der Ostseite des Hieizan, des heiligen
Bergs Hiei liegt, nur wenig nordöstlich von Kyoto. Die Tendai-Schule hatte im Verlauf der
partiellen synkretistischen Verschmelzung von Shinto und Buddhismus in Japan auch die
Verehrung der Berggottheit Sanno, der shintoistischen Gottheit (kami) des Hieizan, und
shintoistische Praktiken der Verehrung aufgegriffen. Der Mönchsnovize unterzieht sich …
Exerzitien des Kaihogyo, einer asketischen, zugleich physischen und geistigen Übung größter
Härte. Der bekannteste Teil dieser Exerzitien ist das nächtliche >>Marathon<< auf dem Hieizan,
ein nächtlicher Lauf über 30 Kilometer, den der Novize in einem Zeitraum von sieben Jahren
eintausendmal wiederholen muss. Während dieses Laufes bleibt der Mönch an festgelegten Stellen
stehen und betet dort zu Buddha und zu den Gottheiten des Berges. An diesen Orten befinden sich
schon Shinto-Schreine, oder er behandelt sie wie Shinto-Schreine; damit die dort verehrten Götter
sich dort auch niederlassen, müssen sie zunächst angerufen und so herbeigerufen werden. Dies
geschieht durch ein zweimaliges Klatschen der Hände; mit diesem shintoistischen Klatschen
beendet der Novize ein buddhistisches Gebet, während dessen Dauer er, so wie es rituell
vorgeschrieben ist, ständig die Kugeln der Gebetskette aneinander gerieben hat. Darren Almond
war es erlaubt worden, einen der Mönche während seines nächtlichen Laufs zu begleiten und zu
filmen. Der Film zeigt während 25 Minuten, wie der Mönch den Tempel verlässt, durch die Nacht
eilt, dabei mehrmals Straßen über- oder mittels eines Fußgängertunnels unterquert und zuletzt, bei
beginnender Morgendämmerung in den Tempel zurückehrt“ (Johannes Mainhardt).
Auch wenn die aufwändige Dokumentation vorzüglich gelungen ist, kann sie das beim Anschauen
des Films mögliche faszinierende und teilweise quälende Miterleben der Exerzitien nicht ersetzen.
(ham)

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