Katalogbuch zur gleichnamigen Ausstellung vom 19. August – 6. November 2016 in der Hypo-Kunsthalle
der Hypo-Kulturstiftung München mit einem Vorwort von Roger Diederen, einem Grußwort von Ingvild
Goetz, einer Einführung von Karsten Löckemann und Texten von Annabel Weichel, Leo Lencsés, Susanne
Touw und anderen

Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung / Hirmer Verlag München, 2016, ISBN 978-3-7774-2708-9, 160 Seiten,
ca. 90 Abbildungen in Farbe, kartoniert, Klappenbroschur, Format 24,5 x 16,9 cm, € 29,90 (D) / € 30,80
(A) / CHF 36,80

Nach Roger Diederen fragt die aus dem Bestand der Sammlung Ingvild Goetz bestückte und in dem reich
bebilderten und sorgfältig edierten Katalog dokumentierte Ausstellung, wie die dort gezeigten Malereien,
Skulpturen, Fotografien, Filme und Installationen unter anderem von Mike Kelley, Nan Goldin, Candida
Höfer, Jeff Wall, Paul Pfeiffer, Jürgen Klauke und Cindy Sherman das komplexe Verhältnis von Sein und
Schein bestimmen. „Dabei greifen sie auf die Welt des Theaters, der Oper und des Balletts zurück und lassen
sich von prunkvoller Architektur und opulenten Bühnenbildern, von Spektakel, Rollenspiel und Maskerade
inspirieren. Sie setzen sich mit Theaterarchitektur als kulturellem und gesellschaftlichem Raum und mit der
illusionären Bühne auseinander, thematisieren die Bedeutung des Zuschauers und stellen grundlegende
Fragen nach Identität und Rollenmodellen. So entstehen unterschiedlichste, zuweilen surreale Weltentwürfe
zwischen Poesie und Crash, politischem Zeitgeschehen und Science-Fiction, klassischer Malereitradition und
multimedialer Installationskunst“ (Roger Diederen S. 14). Karsten Löckemann erinnert in seiner gerafften
historischen Skizze des Dialogs zwischen bildender und darstellender Kunst an Shakespeares Einschätzung,
dass das ganze Leben ein Theater sei, an die Bühnen- und Kostümbilder u. a. von Agostino Carracci, Antoine
Watteau und Karl Friedrich Schinkel und an die Faszination, die der Montmartre und das Moulin Rouge auf
Henri Toulouse-Lautrec ausgeübt hat. Sowohl Pablo Picasso als auch Henri Matisse arbeiteten zeitweilig für
Bühne und Ballett und die meisten der im Katalog versammelten Künstler haben „ganz konkret an
Bühnenproduktionen mitgearbeitet, Stücke ausgestattet oder inszeniert. Besonders hervorzuheben sind […]
Matthew Barney, Cardiff & Miller, Stan Douglas, Elmgreen & Dragset, Ulrike Ottinger und Laurie
Simmons“ (Karsten Löckemann S. 21). Nach der Einschätzung von Löckemann ist der Einfluss des
Bühnenhaften und die steigende Tendenz zu einer theaterspezifischen Narration und Inszenierung von
Kunstwerken unübersehbar. Dem ist nicht zu widersprechen.

Aber wenn man beim wiederholten Durchgang letztendlich auf eine Vielzahl von schon oft und in
unterschiedlichsten Kontexten Gesehenem und auf nur wenig themenbezogen Neues gestoßen ist, fragt man
sich, ob man eher Michael Skasas „Eine herrlich unterhaltsame Ausstellung in München über die
Rollenspiele der Gegenwart“ (Michael Skala in http://www.zeit.de/2016/36/inszeniert-ausstellungmuenchen,
abgerufen am 13.10.2016) oder aber doch Georg Leisten zustimmen soll: „Gezeigt wird […] viel
Prominenz, inhaltlich geht die Schau aber nicht weit genug […], es fehlt vor allem […] an inhaltlicher
Tiefe, weil unklar ist, welches Theater gemeint ist. Das postdramatische von heute? Das epische Bertolt
Brechts mit seinen Verfremdungseffekten? Oder die gute alte Blankvers-Welt William Shakespeares, der
schon vor fünfhundert Jahren wusste, dass das ganze Leben nur Theater ist? Im 21. Jahrhundert […] ist die
Botschaft vom Schein und Sein vielleicht nicht falsch, aber etwas konventionell und gestrig. Wozu und
warum nicht nur die Künstler, sondern wir alle […] tagtäglich Maskerade und Mummenschanz betreiben,
bleibt der blinde Fleck der Schau“ (Georg Leisten, Welttheater der Täuschung. In: Stuttgarter Zeitung Nr.
197 vom 25. August 2016 S. 25)

ham, 13. Oktober 2016

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ham, 13. Oktober 2016

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