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Robert Schad, Durch Raum und Zeit

Von Helmut A. Müller | In Katalog, Kunst

Publikation zur gleichnamigen Ausstellung vom 25. Februar bis 11. Juni 2017 im Kunstmuseum Ravensburg
mit Texten von Nicole Fritz und Uwe Degreif und einem Gespräch zwischen Nicole Fritz und Robert Schad

Kunstmuseum Ravensburg / Kerber Verlag Bielefeld, 2017, ISBN 978-3-7356-0335-7, 128 Seiten, 48 farbige
und 12 schwarzweiße Abbildungen, Hardcover in Leinen, gebunden, Format 28,5 x 22,5 cm,
35,00 € / 42,98 CHF

Mit dem eleganten Katalog zur Ausstellung in Ravensburg liegt die bisher persönlichste Publikation des
international renommierten Stahlbildhauers Robert Schad und ein Bekenntnis zu seinem Geburtsort vor: Der
1953 in Ravensburg geborene Schad hat spätestens mit seiner stählernen Raumzeichnung Stuttgarter Weg
(1986/87, vergleiche dazu Robert Schad, Skulpturen im öffentlichen Raum http://robertschad.eu/de/
skulpturen/im-offentlichen-raum/) Aufsehen erregt und sich überregionale Anerkennung erworben. „Bei
dieser Kunst-am-Bau-Arbeit versah er die Decke und Wände des 136 m langen Verbindungstunnels
zwischen dem Landtagsgebäude und dem Haus der Abgeordneten in Stuttgart mit stählernen Raumlinien und
erweiterte die Skulptur damit zur raumgreifenden Installation. Für alle […] war spürbar, dass der Raum des
Kunstwerks im Zuge dieser Erweiterung der Kunst in den Raum auf atemberaubende Art und Weise mit den
Betrachterraum deckungsgleich geworden war. Man selbst war Teil der Installation geworden und angeregt,
sich zu den Bewegungen der Linien im Hier und Jetzt in Beziehung zu setzen. Aus heutiger Sicht stellt der
Stuttgarter Weg eine Pionierleistung dar, antizipiert Robert Schads Installation doch weit vor ihrer Zeit das
von dem Medien der Zeichnung ausgehende Ausgreifen der Kunst ins Dreidimensionale“ (Nicole Fritz,
Radikal subjektiv, S. 30). Bei Schad verliert der Vierkantstahl seine Erdenschwere. Er wird zum Tanz im
Raum und zeigt, was der Künstler bei der Gestaltung empfindet.

Zwischen der 1993 nach kontroverser öffentlicher Diskussion und heftigen Protesten in der Innenstadt von
Ravensburg realisierten Stahl-Wasser-Skulptur Caide und seiner Außenskulptur Vygon (2016) für den
Veitsberg konnte Schad unter anderem seinen Skulpturenpark in Larians (2003) als Experimentierfeld vor
der eigenen Haustüre, sein Kreuz für Fatima (2007) und einen 300 Kilometer langen temporären
Skulpturen-Parcours in der Bretagne mit 50 Werken (2016) auf den Weg bringen. Schads täglicher Weg in
der Schulzeit führte ihn über den Veitsburghang in die Stadt. „Die Hügel der Veitsburg und um die Kirche St.
Christina waren für mich sehr wichtige Orte, hier spielte sich im Wesentlichen meine Kindheit und
Jugendzeit ab […]. Am Fuß des Veitsburghügels nahm ich bei der Klavierlehrerin Frau Bentele
Klavierunterricht. Mein Weg dorthin führte mich vom Philosophenweg durch den Torkel runter zum
Mehlsack, wo sie wohnte und unterrichtete. Die Stelle, an der jetzt die Skulptur Vygon steht, ist interessant,
weil sie eben die Verbindung zwischen Mehlsack und der Veitsburg herstellt. Und weil dort die Linie eine
starke Mittlerfunktion zwischen Stadt und Himmel einnimmt. Man hat das Gefühl, die Skulptur holt die
Energie des Himmels und leitet sie weiter in die Stadt und umgekehrt, und sie ist eine Art Energieweiche
einer unendlich zu denkenden Linie. So dass die Linie als Energieträger und als Symbol von Zeit oder als
Metapher für Zeit stehen kann“ (Robert Schad S. 95 ff.).

Die im Kunstmuseum Ravensburg gezeigten Skulpturen aus Vierkantstahl mit der gerade noch von der Hand
des Künstlers zu umgreifenden Kantenlänge von 60 mm aus dem Jahr 2017 reagieren auf den von den
Stuttgarter Architekten Lederer + Ragnarsdóttir + Oei geschaffenen Raum. „Die Architektur […] ist ja
bereits […] skulptural gedacht […]. Hier spürt man den Umgang insbesondere des Architekten Arno Lederer
mit der Geschichte und wie architektonische geschichtliche Elemente in den Raum einfließen. Insofern kann
ich diesen Raum nicht als >white cube< sehen, sondern es ist ein Raum, der mich fordert, in den ich mich hineinschreiben möchte, in den ich auch eine Signatur setzen möchte, die dann schlüssig mit dem Raum arbeitet – und nicht gegen den Raum“ (Robert Schad S. 110). In gewisser Weise schließt sich für Schad nach 60 Jahren ein Kreis. „Ich kehre an meinen Ausgangspunkt zurück und plane, fünfzig Skulpturen in dreißig oberschwäbischen Dörfern auszustellen […]. Mir schwebt vor, dass die Skulpturen in den Dörfern auch an unterschiedlichen Orten wie in Ortszentren, Kirchen und Kapellen, leerstehenden Industriegebäuden, Bauernhöfen […], an Flüssen und Seen, aber auch auf Äckern und in Wäldern zur Aufstellung kommen. Ich möchte den Parcours im Dialog mit den Leuten vor Ort entwickeln, das Projekt also erst gar nicht auf den Sockel hoher Kunst stellen. Nicht zuletzt möchte ich damit zeigen, dass man nicht nur in Metropolen seine Träume verwirklichen kann, sondern auch im ländlichen Raum, in einem kleinen Dorf, wo alles möglich ist“ (Robert Schad S. 110 f.). ham, 9. August 2017 Download

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