Klinkhardt & Biermann Verlag, München, 2019, ISBN 978-3-943616-56-9, 144 Seiten, 78 Farbabbildungen, Karton gebunden, Format 24 x 20 cm, € 25,00 (D) / € 25,70 (A) / SFR 31,69 (CH)

Ende Februar 2019 waren auf der Art Karlsruhe jüngste Landschaftsmalereien des 1960 in Düsseldorf geborenen und nach dem Studium der Philosophie und Linguistik zum Studium der Kunst gewechselten Malers Thomas Kohl zu sehen. Wer die Entwicklung seiner Landschaftsmalerei nicht kennt (vergleiche dazu etwa http://www.thomasko978-3-943616-56-9hl.de/subpages/Leinwand.html), mag sich in Rheinstetten mit seiner zunehmend abstrahierten Bildsprache schwer getan haben. Deshalb gehört der Einblick in die Entwicklung von Kohls Bildsprache seit den letzten 1980-er Jahren zu den großen Vorzügen seines zusammen mit dem Sinologen, Politikwissenschaftler und Publizisten Tilmann Spengler herausgegebenen Künstlerbuchs. Er erlaubt es dem Leser, Schritt für Schritt sinnlich nachzuvollziehen, wie Kohl zu seinen heute bevorzugten „Kürzeln“ und zu seiner Farbpalette gekommen ist.

Der andere Vorzug sind die sprachlichen Skizzen, die Tilmann Spengler zu dem gemeinsamen Projekt beigesteuert hat. Spengler hat schon einmal malerische Techniken, Sinneseindrücke, Synästhesien und anderen Empfindungen beschrieben, die sich beim Betrachten von Malereien einstellen können, nämlich als Autor des Romans „Der Maler von Peking“. An Kohls Malerei interessiert ihn insbesondere der Vokal ›e‹ im Wort ›Ebene‹, der als wichtigster Wohllaut der deutschen Sprache gilt, und weiter das Wort ›Landschaft‹. ›Ebene‹, so Spengler, sei mit ›eben‹ verwandt und in beiden Fällen gehe es auch um Projektionen. „Da kommt uns der Maler Thomas Kohl gerade recht. Er hat uns […] Bilder geschenkt, die den vertrauten Begriff der Ebene auf den Kopf stellen. Durch des Künstlers ganz eigene Projektionen. Vermutlich hat Kohl früh begriffen, dass das Wort ›eben‹ vor einigen hundert Jahren ein fruchtbar geschwisterliches Verhältnis mit dem Verb ›ahmen‹, mithin ›nachahmen‹ pflegte. ›Auf den Kopf stellen‹ klingt hier wie eine falsche Verbeugung vor herber deutscher Dialektik. Ich dachte dabei nicht an Hegel und Marx, vielmehr dachte ich an […] ein gemaltes Panorama, wie ich es nur aus einem Traum erinnere. Was eben so geschieht, wenn aus Worten, die als Bilder entworfen wurden, eben Bilder wurden“ (Tilman Spengler S. 81 f.).

Das deutsche Wort ›Landschaft‹ liegt nach Spengler „auf flacher Augenhöhe mit dem englischen ›landscape‹, dem französischen ›paysage‹ […], dem italienischen ›paesaggio‹ und anderen europäischen Trostlosigkeiten des sprachlichen Ausdrucks. Thomas Kohl hat deshalb einmal angeregt, dem Begriff aufgrund seiner Dürftigkeit die semantische Existenzgrundlage zu entziehen“. In China „wird derselbe Begriff mit vielen sinnlichen Bildern aufgefüllt, mit Bergen und Wasser, mit dem Erkennen von Farben, mit Szenen, die der Wind geschaffen hat. Und wenn es ganz bescheiden zugeht, kommen Felder vor, auch Bauern und das hinlänglich bekannte Schwein unter dem Dach“ (Tilman Spengler S. 110). Landschaft ist ein weites Feld. „Dankbar ist der Kunstfreund für überraschende Nahaufnahmen und verwirrende Auflösungen. Beglückt ist er, wenn des Künstlers Strich nicht ›Sehgewohnheiten verunsichert‹ […], sondern wenn ein neuer Blick uns endlich wieder mehr erzählt als in jener ›Kaskade von Worten‹. Man kann, man sollte in diesem Gedankenspiel auch und besonders an Thomas Kohl denken. Aber der hat dazu seine eigenen Vorstellungen. Im Aquarell und auf Leinwand. Eben“ (Tilman Spengler S. 113).

ham, 11.März 2019

Rezension Thomas Kohl : Tilmann Spengler, Verflüchtigung der Ebene

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