Katalog zu den Ausstellungen vom 19.3. – 19.4.2015 im Kunstzentrum Karlskaserne, Ludwigsburg und vom
20.9.2015 – 3.1.2016 im Keramikmuseum Westerwald, Höhr- Grenzhausen. Mit Texten von Thomas Weber
und Susanne Längle

Ludwigsburg / Höhr-Grenzhausen, 2015, 72 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen, Hardcover,
Format 21 x 21 cm, € 10,00

Von meinem 12 oder 13 Jahre zurückliegenden Besuch in Thomas Webers Ludwigsburger Atelier ist mir
noch heute seine im Katalog Das Dorf auf Seite 7 abgebildete Arbeit Schlingen (Palette), 2002, H 120 cm in
eindrücklicher Erinnerung, ebenso seine farbenfrohe, auch in der Serie variantenreiche Malerei. Thomas
Weber ist in den letzten Jahren mit seinen profiliert eigenständigen, archaisch ehrlichen und menschlich
authentischen Keramik weit über Deutschland hinaus bekannt geworden. Seine Holzskulptur Schlingen
(Palette) und seine Malerei zeigen aber, dass er deutlich breiter aufgestellt ist. Auch ich habe mich damals
für seine Malereien und Tonskulpturen entschieden und im Herbst 2004 eine Auswahl seiner besten Arbeiten
im Hospitalhof Stuttgart unter dem Titel Unruhe. Zustand vorgestellt. Die Holzskulptur Schlingen (Palette)
ist unter anderem aus Platzgründen in Ludwigsburg geblieben. Wenn ich die Ausstellung noch einmal zu
kuratieren hätte, hätte ich wahrscheinlich intensiver nach einer kongenialen Wand für die seltsam
widerständige und sich über ein Jahrzehnt im Gedächtnis haltende Holzskulptur gesucht und sie vielleicht
auch gefunden.

Gleichwohl ist es von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass die schmale Publikation Das Dorf erstmals
einen Überblick über die Entwicklung von Webers gleichnamiger Werkgruppe und damit auch einen
Einblick in das Ideenreservoir seiner Keramiken ermöglicht. Die Fotostrecke geht von den aktuellen
Arbeiten aus und läuft auf die ersten Arbeiten zu, die im März und April 1993 im European Ceramic Work
Center in s’Hertogenbosch in den Niederlanden entstanden sind. „Der Umgang mit dem Ton war von
vornherein experimentell, die Wege der Formfindung weit verzweigt und offen – nie geradlinig, nie
zielgerichtet. Ich nahm mir die Freiheit, das zu tun, was mir gerade in den Sinn kam […]. Vor allem fesselte
mich die Idee des seriellen Arbeitens. Ein Thema so lange zu bearbeiten, bis das Wesentliche erfasst ist, dann
innezuhalten, um vielleicht einen völlig anderen Weg einzuschlagen“ (Thomas Weber S. 5). Die aus rotem
holländischem Ton geformten Platten und Wülste und die daraus aufgebauten ersten rohen Arbeiten erinnern
an Alltagsgegenstände und Gebäude aus Webers Geburtsort Ettlingen-Spessart, so an Kästen, Kisten, Körbe,
Häuser, Scheunen und Ställe. In Ettlingen-Spessart hat man nicht viel geredet. Deshalb hat er sich alles, was
es dort zu sehen gab, eingeprägt. Mit der Zeit sind Tentakel über die Häuser gewachsen und auch aus ihnen
heraus; die Tonschlangen, aus denen ein Teil der Skulpturen entstanden sind, wurden durchbohrt. Andere
erschienen in ihrem Inneren wie durch und Lianen oder Schlangen belebt. Türme bekamen Nasen, Hüte und
Arme. Aufgesprungene Hülsen haben die darin verborgenen Bohnen oder Erbsen zu erkennen gegeben. Und
in Brunnen haben sich Wasserspeier nach oben gestreckt. Mit der Zeit sind die Arbeiten artifizieller
geworden; einzelne wirken sogar verspielt. In seinen jüngsten Arbeiten knüpft Weber wieder an seine ersten
Versuche von 1993 an. Das zwischenzeitlich erreichte Zusammenspiel von roher Form und artifiziellem
Können fasziniert und führt zu komplexen Arbeiten, die in ihrer Einfachheit bestechen.

Webers inzwischen über 1000 Keramikarbeiten umfassendes „Dorf“ kann als sein keramisches Hauptwerk
gelten. Dass sein Lebenswerk auch noch eine Vielzahl weiterer keramischer Arbeiten, diverse malerische
und auch in Holz ausgeführte skulpturale Werkgruppen umfasst, wurde schon angedeutet. Es wäre jetzt an
der Zeit, alle Werkgruppen in einer groß angelegten Retrospektive vorzustellen.

ham, 8. April 2016

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