DuMont Buchverlag, Köln, 2018, ISBN 978-3-8321-9947-0, 176 Seiten, circa 500 farbige Abbildungen,
Klappenbroschur, Format 20 x 15 cm, € 20,00 (D)

Stadtlandschaften werden richtiggehend interessant, wenn man ihre Genese verstehen und ihre Architekturen
lesen und interpretieren kann. Erklärende Hinweise durch fachkundige Führer sind in aller Regel hilfreich;
aber wann hat man schon einen Architekten, einen Städteplaner oder einen Urbanisten an seiner Seite, den
man fragen kann, aus welcher Zeit dieses oder jenes Gebäude stammt und woran man das sieht?
Städtebauliche Ikonen wie das von Josef Maria Olbrich 1889 für die Wiener Sezession gebaute Künstlerhaus
(vergleiche dazu https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Maria_Olbrich#/media/File:Wien_-
_Secessionsgebäude.JPG), die 1908 / 1909 von Peter Behrens gebaute AEG-Turbinenhalle in Berlin-Moabit
(vergleiche dazu https://sdtb.de/technikmuseum/ausstellungen/2295/), die 1927 vom Deutschen Werkbund
unter Leitung von Mies van der Rohe geplante Weißenhofsiedlung in Stuttgart (vergleiche dazu https://
www.google.de/search?
q=wei%C3%9Fenhofsiedlung+stuttgart&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwiI7dSEvOz
dAhWkp4sKHed_B5QQsAR6BAgBEAE&biw=1500&bih=910) und die im Wesentlichen vom
Architekturbüro Herzog & de Meuron gebaute und im November 2016 fertiggestellte Elbphilharmonie
Hamburg (vergleiche dazu https://www.google.de/search?
q=elbphilharmonie&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwjOr5jv7-
ndAhXD0aQKHfc8DdAQsAR6BAgCEAE&biw=1500&bih=884) mögen einem größeren Kreis
Interessierter gut bekannt sein. Aber bei Alltagsarchitekturen fehlen den meisten die notwendigen Kriterien
für eine präzise Zuordnung zu diesem oder jenem Baustil.

Deshalb schließt das von der in Berlin lebenden Stadtdenkerin (vergleiche dazu http://die-stadtdenkerei.de),
Architekturhistorikerin, Archäologin und Urbanistin Turit Fröbe vorgelegte Bestimmungsbuch für moderne
Architektur eine schmerzliche Lücke: Ausgangspunkt sind für Fröbe die Fenster. Fröbe schlägt vor, sich bei
der Bestimmung eines Gebäudes zuerst einmal einen Überblick zu verschaffen und zu fragen, ob die Fassade
eines Gebäudes aus unterschiedlichen Fensterformaten besteht oder ob ein bestimmter Fenstertyp dominiert.

In einem zweiten Schritt helfen Vorlieben für ovale, quadratische, rechteckige, gerundete, gekrümmte,
Schießschartenfenster, Querformate, Glasfassaden, freie Setzungen oder Sonderformate wie hochrechteckige
oder querrechteckige Fenster an Fassaden (vergleiche dazu https://www.google.de/search?
q=turit+fr%C3%B6be+alles+nur+fassade&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwix7aCh9
OndAhUI_aQKHYn2B_4QsAR6BAgCEAE&biw=1500&bih=884), sich dem Baustil anzunähern. Wenn
etwa ovale Fenster dominieren, ist das Haus sehr wahrscheinlich der Reformarchitektur der Vormoderne
zuzuordnen. Glas-Stahl-Konstruktionen können auf den Jugendstil oder die Reformarchitektur,
Spiegelfassaden auf die Postmoderne und Medienfassaden auf die Gegenwart hindeuten (vergleiche dazu
etwa die Fassade der neugebauten Kunsthalle Mannheim https://www.google.de/search?
q=kunsthalle+mannheim+fassade&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwiwPHb9endAhUilIsKHazZBEEQsAR6BAgEEAE&
biw=1500&bih=884).

In einem dritten Schritt kann dann durch weitere Kriterien wie das Baumaterial oder typische
Stileigenschaften schrittweise herausgefunden werden, um welchen Baustil es sich handelt: Auf die
Bestimmung der Fenster folgt die Frage nach den für den jeweiligen Stil typischen Materialien und Formen.
So waren Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäuser, gekrümmte Straßen, eine rückwärtige
Fußgängererschließung und Privatgärten zur Selbstversorgung für die Gartenstadtidee typisch. Und mit dem
Neuen Bauen wird in erster Linie verputzter Stahlbeton assoziiert. Es kamen aber auch Glas-Stahl-Fassaden
und vereinzelt auch Natursteinverkleidungen zur Anwendung. Zudem wurden die Architekturen in Abkehr
von der Fassadenarchitektur als skulpturale Gebilde konzipiert.

In einem vierten Schritt sollte dann noch überprüft werden, ob man bei seiner Bestimmung nicht in die Neo-
Falle getappt ist. „Gegenwärtig feiern nämlich viele Baustile der Moderne ein fröhliches Revival“ (Turit
Fröbe S. 15). Die eigens ausgewiesene Rubrik „Neo-Stile“ will helfen, diese Falle auszuschließen. Das auf
der rückwärtigen Umschlagklappe angelegte Stichwortverzeichnis hilft dem Leser, Materialien wie
Aluminium, Rohbeton und Terrakotta, typische Formen wie Bullaugen und für den Jugendstil und die 50er
Jahre typische Buntglasfenster im Bestimmungsbuch zu finden. Damit kann dann nichts mehr schiefgehen.

ham, 4. Oktober 2018

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