Jan 18

Publikation zur gleichnamigen Ausstellung des Kunstvereins KiSS Kunst im Schloss Untergröningen vom 29.04 – 29.07.2018 zum 18. Kunst- und Kultursommer mit den Künstlern Tilmann Eberwein, Tanja Maria Ernst, Filderbahnfreundemöhringen FFM, Olivier Guesselé-Garai, Konrad Henker, Martina Kuhn, Seulmina Lee, Anja Luithle, Tea Mäkipää, Antje Majewski, Gabriela Oberkofler, Anne Römpp, Gabriel Rossell-Santillán, Uwe Schäfer, Katrin Ströbel, Emeka Udemba, kuratiert von Marjatta Hölz

Kunstverein KiSS, Untergröningen & Ernst Wasmuth Verlag Tübingen. Berlin, 2018, ISBN 978-3-8030-3403-8, 112 Seiten, 24 x 17 cm, Paperback, € 19,80

Wer gewohnte Perspektiven wechseln und seinen Horizont erweitern will, kann wie Petrarca auf den Mont Ventoux steigen, wie im Kontext der ökumenischen Didaktik empfohlen in den Schuhen anderer zu gehen versuchen, wie Fürstin Marie Friederike Sophie Charlotte zu Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein (1714 – 1777) im gesetzten Alter als Katholikin in ihr Schloss (vergleiche dazu https://www.google.de/search?q=schloss+untergr%C3%B6ningen&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ved=2ahUKEwiL_ZOgg_
ffAhWKjqQKHbLGAf4QsAR6BAgDEAE&biw=1679&bih=912) im evangelischen Gröningen ziehen, die evangelische Schlosskirche in eine katholische umwidmen und im Dorf eine evangelische Kirche errichten (vergleiche dazu https://www.swp.de/suedwesten/staedte/schwaebisch-hall/reiche-witwe_-altes-schloss-16337353.html) oder wie ihr Sohn Fürst Ludwig Carl Franz Leopold zu Hohenlohe-Waldenburg-Bartenstein (1731 –1799) im Schloss in der Zeit der Französischen Revolution vor dem terreur aus Frankreich geflohenen Adeligen und Klerikern wie dem Beichtvater König Ludwigs XVI. Zuflucht gewähren (vergleiche dazu etwa https://www.swp.de/suedwesten/staedte/gaildorf/kirchen-serie_-die-bewegte-geschichte-der-schlosskirche-in-untergroeningen-20969873.html).

Für die Kuratorin Marjatta Hölz mögen die Umbrüche im Schloss Untergröningen im 18. Jahrhundert Anlass und Ausgangspunkt der in den Exponaten der Ausstellung ›Untragbar‹ vorgestellten ›Sehnsucht nach Veränderung‹ gewesen sein. „Gegenstand dieser Ausstellung ist […] im weiteren Sinn der Perspektivenwechsel und das Überschreiten von Grenzen. Das Augenmerk richtet sich auf untragbare Verhältnisse und auf Wege zu ihrer Überwindung. Diese Thematik – sich in andere Menschen, ja in andere Spezies hineinzuversetzen und Barrieren zu überwinden – erscheint in zwei […] Ausprägungen: Zum einen werden Möglichkeiten der Identifikation mit Natur ausgelotet, zum anderen wird das menschliche Dasein unter Bedingungen der Einschränkung von physischer und gedanklicher Freiheit ergründet“ (Marjetta Hölz S. 8). Ein dritter Schwerpunkt widmet sich dem interkulturellen Dialog.

Dem historischen Bezugspunkt kommt der 1965 in Bamberg geborene und heute in Stuttgart lebende Uwe Schäfer mit seinem Aquarell ›Liberté, Egal, raternité‹, 2017, 35 x 35 cm (vergleiche dazu https://www.strzelski.de/uwe-schaefer?lightbox=dataItem-jesbaeo5, abgerufen am 17.01.2019) am nächsten. Aber von der Losung der Französischen Revolution von 1789 ist in seinem Aquarell nur ein Fragment übrig geblieben. „Der Schwur ist […] in (Neo)Liberalismus, Gleichgültigkeit und Pfusch verwandelt worden“ (Marjetta Hölz S. 10). In seinem Aquarell ›Le capitalisme est le communisme des riches‹ (vergleiche dazu https://www.strzelski.de/uwe-schaefer?lightbox=dataItem-jesbaeo5, abgerufen am 17.01.2019) zieht er eine mögliche Linie bis in die Gegenwart aus.

Die 1965 in Primstal, Saarland geborene Martina Kuhn hat aus katholischen Gesang- und Gebetbüchern ein liturgisches Gewand mit Stola geschneidert und Katrin Ströbel & Emeka Udemba präsentieren sich in Wahala/ Red Landscape, 2013, Fotografie auf Aludibond, Ed 1/5 + 2 AP (vergleiche dazu http://www.saarbruecken.de/media/download-59381bdd800ce S. 26) vor einem nigerianischen Stoff, aus dem auch ihre Hemden gewoben sind. Wahala ist ein in Nigeria gebräuchliches Wort für Durcheinander oder Problem. Das Bild fragt, wie gleichberechtigt westliche und afrikanische Künstlerinnen und Künstler in gleichen beruflichen Positionen behandelt werden.

Die 1973 in Lahti, Finnland geborene und heute in Mäntyharju und Weimar lebende Tea Mäkipää hat Bären Bilder malen und vorgefertigte Tonplastiken von ihnen verformen, zerstören und damit vollenden lassen (vergleiche dazu https://regionalwolfenbuettel.de/ausstellung-prima-carnivora-der-finnischen-kuenstlerin-tea-maekipaeae/). Ihre Escape Allee, eine heruntergekommene Einkaufspassage führt den Kontrast zwischen Werbeversprechen und Realität nicht nur in der Welt des Konsums, sondern auch in der demokratischen Öffentlichkeit vor. Die Arbeit kritisiert autokratische Politiker und Konzernlenker, die zum Konsum von Ideologien und wenig nützlichen Waren verführen. Die Filderbahnfreundemöhringen FFM schließlich haben von Mäusen angefressene und ausgehöhlte Käsestücke in Bronze gegossen und auf einer Konsole aus MDF ausgestellt (vergleiche dazu https://www.google.de/search?q=filderbahnfreundem%C3%B6hringen+ffm&tbm=isch&source=iu&ictx=1&fir=Ct0xLh8UagJP5M%253A%252CgjRNWHLj-3xH8M%252C_&usg=AI4_-kQSp0K8gNX5K8AKW4Ill0YZ0xRNlQ&sa=X&ved=2ahUKEwjOg6SRjvXfAhWO2KQKHQguCncQ9QEwC3oECAYQCg#imgrc=Ct0xLh8UagJP5M:).

Man darf gespannt sein, was beim 19. Kunst- und Kultursommer auf Schloss Untergröningen auf einen wartet.

ham, 17. Januar 2019

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